Gesprächsergebnisse
Die folgenden Erkenntnisse stammen aus verschiedenen Gesprächen, die ich mit Heimleiter_innen, Pflegepersonal, Angehörigen im Vorfeld des Podiums geführt habe. Ich habe auch festgestellt, dass praktisch unbekannt ist, was DIE LINKE mit ihren 76 Abgeordneten im Bundestag allein im letzten Jahr so alles an Redebeiträgen, Anträgen und Anfragen eingebracht hat, flankiert von zahlreichen Presseerklärungen, die aber in unserer “freien, unabhängigen Presse” regelrecht totgeschwiegen wurden. Soviel zum Thema Chancengleichheit der Parteien. Zumindest in den Zeiten vor Wahlen haben wir allerdings mehr Chancen, unsere Positionen auch mal in der Zeitung zu lesen.
Meine Feststellung vorweg:
Ich habe über zwei Jahre erlebt, wie mein Vater im “Haus am Schulberg” in Pliezhausen bis zu seinem Tode betreut wurde; mit außerordentlich viel Engagement auf Seiten der Heimleitung und des Pflegepersonals, unterstützt durch ein überaus großes Engagement von ehrenamtlichen Pliezhäuser Bürgerinnen und Bürgern, von der Hilfe beim Essen, Vorlesen, einfach Reden und Zuhören bis zum gemeinsamen Singen mit einem Verein Altenpflege im Hintergrund. Beeindruckend.
Aber: Was hier so gut rüber kommt, verdeckt den Blick darauf, dass das Ganze nur funktioniert, weil Menschen an ihren Grenzen und darüber hinaus tätig sind, bemüht, die Mängel des SYSTEMS möglichst auszugleichen – mit Folgen (hohe Fluktuation, Verschleiß …)
Pliezhausen ist strukturell ganz anders gestrickt als Heime in den Städten – der Ausgleich, den ehrenamtliche Kräfte leisten können, funktioniert beileibe nicht in größeren Städten.
Das gesamte Konzept Pflege, Pflegefinanzierung Ausstattung (Pflegeversicherung) ist schon zu lange auf dem Prüfstand, ohne dass sich grundlegend was ändert. Der Blick hinter die Kulissen sieht doch eher erschreckend aus, was sich dann in Einzelfällen zu den Ereignissen und Verhältnissen “verdichten” kann, die dann in den Schlagzeilen als “Missstand” und oft auch ungerecht einseitig den Mitarbeitern angelastet werden.
Die folgenden Schilderungen fassen das zusammen, was ich aus verschiedenen Gesprächen mit Heimleiterinnen, Schulungsverantwortlichen und Pflegekräften mitgenommen habe:
- 1. Finanzierung / Personalausstattung – das größte Problemfeld neben der Bürokratie
- die personelle Ausstattung ist deutlich zu gering; die regelmäßig abzuschließenden Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen mit den Trägern bzw. MDK stehen unter solch enormem Kostendruck, dass über die dabei zu bedienenden Personalschlüssel und Pflegesätze letztlich höchste Qualität mit wenig Kosten als Vorgaben definiert werden, geringe Kosten heißt dann in erster Linie knappe Personalausstattung.
- Das etwas merkwürdige ist nun, dass die gleiche Institution, die bei der LQV (als MDK) gezwungenermaßen auf die Kostenbremse drückt, peinlichst genau auch die entsprechenden Kontrollen ausübt, also vielleicht mal bildlich am Beispiel Apfelernte
- Auftrag: in möglichst kurzer Zeit alle Äpfel vom Baum holen, für die Leiter ist kein Geld da. Der Baum darf nicht geschädigt werden, die Äpfel natürlich ebenso wenig.
- alles muss dokumentiert werden, die Flecken an beschädigten Äpfeln gezählt
- Kontrolle: Wie viele Äste sind vom Baum abgebrochen, wie viele Äpfel vom Baum gefallen, wie konnte es passieren, dass jemand vom Baum stürzte, warum wurde keine Leiter besorgt
- Bei Erfüllung aller Vorgaben Erhöhung derselben für das nächste Jahr
- Die reine Pflege ist eigentlich dadurch schon an der Grenze angelangt und (überfordert) objektiv und subjektiv die vorhandenen Kräfte; der Faktor Betreuung kann nur schwer bedient werden – für viele ja wohl eigentlich der Grund für die Berufswahl. Die Funktionspflege wird irgendwie gestemmt, aber wo bleibt der Mensch? Kommunikation? Zuwendung? Teilhabe? …?
- Wo Überbelastung und Frust herrscht, ist Krankheit nicht weit; weitere Engpässe sind die Folge; engagierte Heimleiter_innen verbuchen keine Überstunden, die das Personal natürlich beanspruchen darf und auch soll; auch beim besten Willen brennt der Mensch irgendwann aus.
Die Politik sollte das nicht ausreizen.
- Wenn die durchschnittliche Dauer der Berufsausübung sowohl beim Personal wie auch in den Leitungen nur etwa 5 Jahre dauert und diese zu geschätzt 70% das Berufsfeld Altenpflege verlassen, dann ist das mit Blick auf die Zukunft wohl als katastrophal einzuschätzen
- die Bezahlung von Pflegefachkräften ist wohl bei den großen Trägern mit tariflichen Vorgaben reguliert – subjektiv als mehr oder wenig akzeptabel eingeschätzt. Die besonderen Leistungen spiegeln sie meiner Meinung nach nicht wider. Da, wo bei Hilfskräften 8,50 Euro Mindestlohn gezahlt werden, sind Stellen oft noch gesplittet – der Gang zum Sozialamt vorprogrammiert, wie ich es aus Heimen in Nordrhein-Westfalen gehört habe.
- makabrer denkbarer Nebeneffekt: Sollte ein Heim “wegen guter Führung, Aufopferung und gutem Umfeld” nur eine geringe Fluktuation bei Personal und Leitung haben, führt das aufgrund der tariflichen Steigerungen zu Konflikten im Kostenbereich, wollen wir das so?
- Druck auf Löhne als Tendenz in rein privaten Häusern ( in Reutlingen wohl noch wenig?) Da private Unternehmen Gewinn machen müssen, werden Kosten – bevorzugt im Lohnbereich – tendenziell gedrückt – man kennt das.
- 2. Bürokratie frisst Pflegezeit und Pfleger – das zweite große Problemfeld
- für die bis ins kleinste geregelten Abläufe gibt es keine gesonderten Mitarbeiter – im Rahmen der Personalschlüssel wird – je nach Größe eines Hauses mindestens eine Kraft für die Behandlungsplanung und Dokumentation eingesetzt – das verschärft die Belastungen aller, führt zu Frust, Konflikten, wie schon beschrieben.
- 3. Kleine Verbesserung im Bereich Demenz: seit zwei Jahren Zuschuss für Pflegeassistenz
Pflegefinanzierung
- Interesse bis Zustimmung zur Bürgerversicherung, bei der alle Arten von Einkommen ohne Grenzen nach oben herangezogen werden (Gehalt, Zinsen, Vermietung …) – Wissenschaftliche Studie belegt: machbar bei langfristig paritätisch AG/AN bei 2% (KV, PV) Beitrag
- gerechtes System, das alle Leistungen bietet und sich gesellschaftlich solidarisch speist
- Wegfall von allen möglichen Konfliktfeldern innerhalb und am Rande des Systems, z.B. Gerechtigkeitsfrage in Bezug auf erspartes Geld / Sachvermögen, was dann nicht mehr bis zum Sozialhilfeniveau aufgebraucht würde, aber auch Fehler und Fehlentwicklungen / Vorkommnisse, die meist dem Druck vor Ort geschuldet sind.
- Daseinsvorsorge ist kein Feld, privaten Profit zu erzielen
- Pflegeriester u.a. Kapital-Versicherungen unterliegen Finanzmarkt